Was Schlafen mit Jungsein zu tun hat
- Dr. Hans Gnahn

- 5. Mai
- 4 Min. Lesezeit

Warum ist für uns ein gesunder Schlaf lebenswichtig?
Auf diese Frage konnte uns die Wissenschaft aus meiner Sicht lange Zeit keine klare Antwort geben. Das hat sich aber in den letzten Jahren geändert!
Eine gute Zusammenfassung wichtiger Forschungsergebnisse liefert wieder – wie könnte es anders sein – der von mir sehr geschätzte Prof. Eric Topol mit seinem "Ground Truths“ – Beitrag vom 12. Januar 2025: "Our Sleep, Brain Aging, and Waste Clearance“.
Wie ein Geschirrspüler für das Gehirn
Man muss es Herrn Prof. Topol als US-Amerikaner natürlich nachsehen, dass er die wirklich ausgezeichnete Forscherin, Frau Prof. Maiken Nedergaard "nur" an die Universität Rochester, USA verortet. Sie arbeitet aber auch in Kopenhagen und hat zusammen mit ihrer Arbeitsgruppe in den letzten Jahren unser Wissen maßgeblich erweitert wie unser Gehirn im Schlaf sozusagen "gereinigt" wird. Frau Prof. Nedergaard wird der Ausspruch zugeschrieben: "Es ist, als würde man vor dem Schlafengehen den Geschirrspüler einschalten und mit einem sauberen Gehirn aufwachen."
Die Entdeckung des glymphatischen Systems
Wie kommt aber nun diese nächtliche „Reinigung“ des Gehirns zustande? Das Lymphsystem des Körpers wurde schon im 17. Jahrhundert entdeckt und beschrieben. Lange Zeit waren wir in der Medizin aber der Meinung, dass im Gehirn kein Lymphsystem bestehe. Bis zu der entscheidenden Entdeckung von Nedergaard und Mitarbeitern 2012, dass im Gehirn ein glymphatisches System existiert, eine Wortneuschöpfung mit einer Kombination aus Glia (nichtneuronale Zellen im Nervensystem) und lymphatischen System. Ich persönlich finde das youtube-Video von Jeffrey Illif, einem ehemaligen Mitarbeiter von Frau Nedergaard recht anschaulich.
Vereinfacht gesagt werden während eines gesunden Schlafes durch das glymphatische System "Schlackenstoffe" aus dem Gehirn "herausgespült". Was natürlich den hohen Stellenwert eines ausreichenden und regelmäßigen gesunden Nachtschlafs für die Erhaltung eines jugendlichen Gehirns erklärt.
Der Traumschlaf und der Tiefschlaf
Wie hängt nun ein gesunder Schlaf mit der Funktion des „glymphatischen“ Systems im Gehirn zusammen. Zu diesem wichtigen Thema hat Frau Prof. Nedergaard zusammen mit der schweizerischen Schlafforscherin, Frau Prof. Anita Lüthi von der Universität Lausanne kürzlich einen meines Erachtens bemerkenswerten Übersichtsartikel verfasst, der am 19. Februar 2025 in der renommierten Wissenschaftszeitschrift „Neuron“ erschienen ist und frei verfügbar ist.
Die beiden Forscherinnen betonen zunächst, dass sich durch einen kontinuierlichen Schlaf Gehirn und Körper erholen, während ein fragmentierter Schlaf der geistigen Leistungsfähigkeit und der Gesundheit schaden. Grundsätzlich gibt es sozusagen zwei Formen des Schlafs, die wir während unseres Nachtschlafs mehrmals durchleben: 1. der Traumschlaf und 2. der Tiefschlaf.
Die geniale Lösung der Natur
Ich habe mir schon während des Medizinstudiums und später in der Ausbildung zum Neurologen immer wieder die Frage gestellt, wie Tiefschlafphasen, die ca. 20 bis 40 Minuten dauern, während des Nachtschlafs mehrmals auftreten und uns wehrlos machen, mit unserem Überleben vereinbar waren. Immerhin haben wir mehr als 99% unserer menschlichen Vorgeschichte wohl in kleineren Gruppen in einer oft gefährlichen Natur gelebt. Ich glaube jetzt, dass die Zusammenführung der Forschung der Arbeitsgruppen von Frau Nedergaard und Frau Lüthi diese Frage zumindest teilweise beantworten kann.
Bisher war ich – wie wohl viele meiner Kolleginnen und Kollegen – der Meinung, dass sogenannte "Microarousals" (also eine Art Weckreaktion) Zeichen eines gestörten Schlafs sind und somit krankhaft. Aufgrund der Forschung der beiden Arbeitsgruppen kann man aber jetzt annehmen, dass die Natur einen genialen Kompromiss gefunden hat. "Microarousals" sind auch Teil der normalen Schlafdynamik im Tiefschlaf - und, jetzt kommt's: Entscheidend wichtig für den glymphatischen Reinigungsprozess des Gehirns im Schlaf! Unsere Vorfahren waren über die Jahrhunderttausende unserer Vorgeschichte bei Gefahr schnell „hellwach“ und hatten dadurch sogar noch gesundheitliche Vorteile.
Die Microarousals und Noradrenalin
Fluktuationen der Nervenüberträgersubstanz Noradrenalin spielen eine wichtige Rolle bei den Microarousals. Eine Beeinträchtigung dieser Noradrenalin-Fluktuationen (z. B. durch Schlafmedikamente oder bei Abbauprozessen des Gehirns, z. B. Demenzen) reduzieren Microarousals und somit deren Reinigungsfunktion für das Gehirn. Während andersherum vermehrte Noradrenalin-Fluktuationen (z. B. durch Stress) den Tiefschlaf fragmentieren. Zu viele „Microarousals“ schaden uns.
Was tun bei Schlafstörungen
Auch ich hatte schon Schlafstörungen in meinem Leben und glaube nicht, dass es ein „Patentrezept“ für alle gibt. Schlafmittel können die „Selbstreinigung“ des Gehirns im Schlaf beeinträchtigen (s. oben). Daher sollten sie – falls wirklich erforderlich – nur sparsam bei Bedarf eingenommen werden.
„Schlafhygiene“ halte ich für sehr wichtig. Persönlich finde ich die "12 Regeln für eine guten Schlaf"der Charité gut:
1. Nach dem Mittagessen bzw. bis zu vier Stunden vor dem Schlafengehen keine koffeinhaltigen Getränke mehr trinken (Kaffee, Schwarztee, Cola)
2. Alkohol weitgehend vermeiden und keinesfalls als Schlafmittel einsetzen
3. Keine schweren Mahlzeiten am Abend
4. Nicht kurz vor dem Schlafen rauchen
5. Mittagsschlaf vermeiden
6. Regelmäßige körperliche Aktivität, aber mit ausreichend Abstand zur Schlafenszeit
7. Allmähliche Verringerung geistiger und körperlicher Anstrengung vor dem Zubettgehen
8. Im Schlafzimmer für eine angenehme Atmosphäre sorgen (ruhig, verdunkelt)
9. Ein persönliches Einschlafritual einführen
10. Nur schlafen gehen, wenn man wirklich müde und schläfrig ist
11. In der Nacht nicht auf den Wecker oder die Armbanduhr schauen
12. Jeden Tag um dieselbe Uhrzeit aufstehen
Bei Schlafstörung (und Depression) kann meiner Erfahrung nach das bewährte Antidepressivum Mirtazapin in niedriger Dosis zur Nacht eingenommen werden. Wichtig ist, dass Mirtazapin ärztlich verordnet werden muss und kein Bedarfsmedikament ist. Nebenwirkungen wie eine mögliche Müdigkeit am darauffolgenden Tag und eine mögliche Beeinträchtigung der Verkehrstauglichkeit insbesondere zu Beginn der Einnahme und nach Dosissteigerung müssen abgewogen werden.




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