Nocebo – der dunkle Gegensatz zu Placebo
- Dr. Hans Gnahn

- 10. Juli
- 2 Min. Lesezeit

Den meisten von uns ist bekannt, was die Bedeutung von Placebo ist: Ich persönlich habe lange gebraucht, die große Bedeutung des dunklen Gegensatzes von Placebo, nämlich Nocebo zu verstehen. Dabei haben wir mit Frau Prof. Ulrike Bingel eine international führende Forscherin auf diesem Gebiet.
Kürzlich hat die Arbeitsgruppe um Frau Bingel aus meiner Sicht bemerkenswerte neue Erkenntnisse in der internationalen Wissenschaftszeitschrift eLife publiziert. Die Publikation ist im Internet frei zugänglich, der Titel spricht für sich: Nocebo effects are stronger and more persistent than placebo effects in healthy individuals, zu Deutsch: Die Effekte von Nocebo sind für gesunde Menschen stärker und länger andauernd als die Effekte von Plazebo.
Negative Erwartungen verstärken Schmerz
In einer Presseerklärung der Medizinischen Fakultät Duisburg-Essen heißt es dazu: "Eine aktuelle Studie von Prof. Dr. Ulrike Bingel von der Medizinischen Fakultät zeigt, dass negative Erwartungen Schmerzen deutlicher und nachhaltiger verstärken, als positive Erwartungen sie lindern. In der Untersuchung wurden 104 gesunde Freiwillige einem Hitzeschmerz ausgesetzt, und ihre Erwartungen wurden gezielt beeinflusst.“
Ulrike Bingel selber bemerkt dazu: "Menschen neigen offenbar dazu, eher mit dem Schlimmsten zu rechnen – und das spiegelt sich in der Schmerzverarbeitung wider. Für die klinische Praxis ist das von großer Bedeutung: Denn im Alltag konzentrieren wir uns oft darauf, positive Erwartungen zu fördern. Unsere Studie zeigt jedoch, dass es mindestens genauso wichtig ist, unbeabsichtigte negative Erwartungen zu vermeiden." Angehörige von Gesundheitsberufen sollten sich laut Bingel bewusst sein, dass die Art und Weise, wie sie über Behandlungen informieren, die Reaktion der Pati
ent:innen darauf stark beeinflussen kann – im positiven wie im negativen Sinne.
Der Nocebo-Effekt von Beipackzetteln
Viele von uns Ärzten haben schon immer gewusst, dass das Lesen von Medikamentenbeipackzetteln - so wichtig und unverzichtbar sie auch sind - oft einen Nocebo-Effekt hat auf die Patientinnen und Patienten, die den Beipackzettel gelesen haben, Dies führt nach meiner Erfahrung häufig dazu, dass verordnete Medikamente nur unregelmäßig oder gar nicht eingenommen werden. Das ist keine Kleinigkeit, wenn es sich um wichtige Medikamente für unser Ziel Bleib jung! handelt wie Blutdrucksenker, Cholesterinsenker und Blutverdünner. Es gilt der alte und eherne Grundsatz: "Medikamente können nur wirken, wenn sie auch genommen werden“.
Für uns Ärzte haben die Erkenntnisse der Nocebo-Forschung sehr konkrete Konsequenzen für das Gespräch mit Patient:innen: Vielleicht gut gemeinte Aussagen wie "Ihre Wirbelsäule ist halt kaputt" können eine schädliche Wirkung auf den Patienten haben.



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