Können "Abnehmspritzen" einer Alzheimer-Demenz vorbeugen?
- Dr. Hans Gnahn

- 20. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Sept.

Diese Frage hat für mich eine sehr große Bedeutung, ich bin im Jahr 1953 geboren. Wie viele Mitmenschen in meinem Alter bin ich bestrebt, einer Demenz vorzubeugen. Die mit Abstand häufigste Demenzform ist die Alzheimer-Demenz.
Die Demenzprävention ist eines der Hauptanliegen, die wir bei Bleib jung! gemeinsam verfolgen.
Prof. Eric Topol ist für mich in medizinischer – aber auch menschlicher – Hinsicht ein Vorbild. Er ist ein wenig jünger als ich, aber auch schon über 70 und ist eigentlich Kardiologe, aber für mich ein "Uomo Universale" im Medizinbereich. Er ist auch einer der am meisten zitierten Medizinwissenschaftler weltweit mit nach wie vor unglaublicher Schaffenskraft.
Lange leben - ohne Demenz
Bemerkenswerterweise interessiert sich Eric Topol in den letzten Jahren zunehmend für die Vorbeugung der Demenz als wesentlichem Bestandteil einer Verlängerung der gesunden Lebensspanne in der zweiten Lebenshälfte. In einer kürzlich publizierten Arbeit seiner Veröffentlichungsreihe "Ground Truths" äußert er sich erstaunlich optimistisch hinsichtlich einer Vorhersage und Prävention der Alzheimer-Demenz aufgrund neuer wissenschaftlicher Daten.
Wahrscheinlich werden Blutuntersuchungen in Zukunft eine wesentliche Rolle bei der Vorhersage des Risikos für eine Alzheimer-Demenz spielen. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass wir heute wissen, dass die Alzheimer-typischen Veränderungen im Gehirn bereits 20 Jahre vor dem Auftreten einer kognitiven Störung beginnen. Das wäre dann der Zeitraum, wo eine intensivierte Vorbeugung notwendig ist. Ab dem 65. Lebensjahr nimmt die Häufigkeit von Alzheimer langsam zu, ab dem 80. Lebensjahr steigt sie steil an. Das heißt, ich bin in dem Lebensalter, wo eine vorhersagende Diagnostik sinnvoll wäre, wenn es eine spezifisch wirksame vorbeugende Behandlung für die Alzheimer-Demenz gäbe. Eine solche gibt es aus meiner Sicht derzeit noch nicht, aber natürlich gilt weiterhin die starke Empfehlung allgemeine Maßnahmen zur Gesunderhaltung des Gehirns wie eine gesunde Lebensweise, viel körperliche Bewegung unter Minimierung des Hirnverletzungsrisikos, soziale Kontakte, Vermeidung von Tabak und Alkohol, Früherkennung und Behandlung von Bluthochruck und erhöhtem Cholesterin. Aber auch z. B. regelmäßiges Tragenvon Hörgeräten bei Hörstörung.
Antikörper?
Bezüglich der jetzt viel diskutierten monoklonalen Antikörper Lecanemab (Leqembi) und Donanemab (Kisunla) bin ich derzeit noch skeptisch. Eine aus meiner Sicht aber völlig neue Situation würde sich ergeben, wenn „Abnehmspritzen“ wie Semaglutid (z. B. Ozempic) nicht nur das Risiko für z. B. Tod, Schlaganfall, Herzinfarkt, Nierenfunktionsstörung und Leberverfettung, sondern eben auch für die Alzheimer-Demenz senken könnten. Dafür gibt es meiner Ansicht nach derzeit Hinweise, aber noch keine Beweise.
In einem weiteren Beitrag werde ich noch darlegen, dass kontrollierte, prospektive, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte und am besten multizentrische und internationale Studien für den Fortschritt der wissenschaftlichen (evidenzbasierten) Medizin in der Regel unerlässlich sind. Nicht selten kommt bei derartigen Studien heraus, dass ein getestetes Medikament nicht besser als Placebo ist.
Mittel präventiv gegen Alzheimer?
Das ist genau der Grund, warum nicht nur ich mit sehr großer Spannung auf das Ergebnis von zwei großen Studien warten, die obige Kriterien vollumfänglich erfüllen, das Design dieser Studien wurde Anfang 2025 publiziert. Getestet wird in diesen beiden Studien („evoke“ und „evoke+“) die Frage, ob Semaglutid (z. B. Ozempic) die Zunahme einer kognitiven Störung bei Menschen mit leichter kognitiver Störung bzw. milder Demenz bremsen kann. Interessanterweise wird auch ein möglicher Effekt auf Bluttests für Alzheimer-Demenz überprüft.
Laut Studiendesign wurden vom 18. Mai 2021 bis 08. September 2023 Frauen und Männer im Alter von 55 bis 85 Jahren mit leichter kognitiver Störung oder milder Demenz in die Studien aufgenommen. Mit ersten Ergebnissen könnte ab September 2025 gerechnet werden. Wie oben bereits ausgeführt, muss meines Erachtens davon ausgegangen werden, dass der eigentliche Alzheimer-Krankheitsprozess bei den Teilnehmern dieser beiden Studien schon über mindestens zwanzig Jahre abläuft. Alle Teilnehmer litten nach Studien-Design bereits an einer kognitiven Störung. Aus meiner Sicht ist es so, dass, wenn eine wirksame, gezielte und vorbeugende medikamentöse Behandlung (mit vertretbarem Risiko) für die Alzheimer-Demenz zur Verfügung stünde, diese wahrscheinlich am sinnvollsten in den ca. 20 Jahren erfolgen könnte, wo schon Alzheimer-Veränderungen im Gehirn vorliegen, die Betroffenen aber noch keine kognitive Störung haben. Das wären in meiner Altersgruppe von 70+ sehr, sehr, sehr viele Mitmenschen!
Wir werden sehen!
Sie merken, dass ich für die letzten Sätze den Konjunktiv gewählt habe. Wir kennen das Ergebnis von "evoke“ und "evoke+“ noch nicht. Natürlich ist es möglich, dass Semaglutid nicht besser als Placebo ist und dass auch bei den Bluttests kein Unterschied zwischen Semaglutid und Placebo gefunden wird. Sollte aber ein signifikanter Effekt von Semaglutid nachgewiesen werden, hätte das eine sehr große Bedeutung für uns in der Altersgruppe 70+!
Sehr spannend. Bleib jung!



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